Hast du in letzter Zeit mal durch die Neuerscheinungen auf Spotify oder YouTube gescrollt? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass du, vielleicht ohne es zu merken, einer künstlichen Intelligenz zugehört hast. Die Streaming-Plattformen werden geradezu geflutet.
Und Hand aufs Herz: Manche davon sind verdammt gut.
Ich bin wahrlich kein großer Fan von rein KI-generierter Musik. Ich mag das Handwerk, die Geschichte hinter einem Song. Aber neulich bin ich über einen Kanal gestolpert, der mein Weltbild kurz ins Wanken brachte. Das Konzept? Rock- und Metal-Klassiker, aber im Gewand der 1920er Jahre, als treibender Swing, Blues oder Jazz.
Das Ergebnis war witzig, kreativ und musikalisch erschreckend stimmig. Ich wippte mit dem Fuß. Ich grinste. Und dann kam die Enttäuschung.
Der „Bühnen-Check“: Wo der Stream endet
In genau dem Moment, als ich dachte: „Wow, das würde auf einem Stadtfest oder einer Firmenfeier total abreißen!“, holte mich die Realität ein.
- Es gibt keine Band, die man buchen kann.
- Es gibt keine Show, kein Lichtgewitter.
- Es gibt keine Interaktion mit dem Publikum.
Als Konzert- und Eventfotograf sehe ich das sofort durch meine Linse: KI-Musik besteht den Reality-Check nicht. Sie ist gefangen im Digitalen.
Gute Live-Musik lebt davon, das Publikum zu lesen. Eine KI kann einen perfekten Swing-Rhythmus berechnen, aber sie kann kein Festzelt zum Kochen bringen. Sie kann nicht spontan reagieren, wenn die Stimmung im Saal kippt. Sie schwitzt nicht.
Die Marktlücke: Das nächste große Ding für Event-Bands?
Doch statt in Kulturpessimismus zu verfallen, sehe ich hier eine riesige Chance für die Live-Branche. Ich warte sehnsüchtig auf den Tag, an dem sich die erste Partyband gründet, die genau diesen Trend als ihren Unique Selling Point erkennt.
Veranstalter suchen händeringend nach etwas Neuem. Die klassische Top-40-Band ist solide, aber oft austauschbar. Stellt euch aber eine Band vor, die sich von der KI die verrücktesten Arrangements schreiben lässt – und diese dann live auf die Bretter bringt.
- System of a Down als Big-Band-Nummer auf dem Firmenjubiläum?
- Metallica als Reggae beim Sommerfest?
- 90er Eurodance als Bluegrass auf der Hochzeit?
Bisher brauchte man dafür geniale Arrangeure. Heute liefert die KI den „Bauplan“. Aber es braucht echte (Profi-)Musiker, um diesem Bauplan Leben einzuhauchen und ihn bühnentauglich zu machen.
Der Plot-Twist für Tribute Bands: Die ultimative Zugabe
Ein weiterer Gedanke drängt sich mir auf, wenn ich die Szene beobachte: Es gibt einen riesigen Boom an Tribute Bands. Die Qualität ist oft fantastisch, doch so gut die Show auch ist: Sie ist vorhersehbar. Man weiß genau, welcher Song als nächstes kommt und wie er klingen wird.
Hier liegt das verborgene Potenzial für den „Wow-Effekt“.
Stellt euch vor: Eine knallharte Rammstein-Tribute-Band spielt ihr Set perfekt durch. Feuer, Schweiß, harte Riffs. Das Publikum ist ausgepowert. Und dann, als letzte Zugabe, brechen sie völlig aus ihrer Rolle aus. Statt „Engel“ im Original, spielen sie die virale KI-Version: Einen fröhlichen 50er-Jahre Schlager-Remix des Songs.
Das wäre der Moment, in dem die Menge nicht nur jubelt, sondern tobt. Es ist der Moment, der auf Social Media geteilt wird. Es zeigt: Wir nehmen die Musik ernst, aber uns selbst nicht zu wichtig.
Fazit: Die KI liefert die Noten, ihr liefert die Show
An alle Musiker und Booking-Agenturen da draußen: Die KI ist nicht euer Feind, sie ist euer neuer, verrückter Creative Director. Wir Konsumenten klicken diese KI-Videos millionenfach an, weil wir den Witz und die Frische darin lieben. Aber wir können das Erlebnis nicht downloaden.
Wer diesen Trend erkennt und professionell umsetzt, hat ein Alleinstellungsmerkmal, das Gold wert ist. Ihr liefert den Beweis, dass Live-Entertainment durch nichts zu ersetzen ist – auch nicht durch den besten Algorithmus.
Die KI liefert die Inspiration. Aber ihr liefert den Schweiß. Und genau dafür kaufen wir Tickets.


