Von Badehose bis Abendgarderobe, von Blechdose bis Jazzgitarre – der 1. Mai hatte in Gronau alles. Tag 3 des Jazzfests war ein echtes Klangabenteuer mit Sonne, Swing und einem musikalischen Weltreisepass.
Nachmittags im Freibad: Groove, Kuchen und Waschbrett-Wahnsinn
Das Freibadkonzert am Nachmittag war alles, was man sich für einen sonnigen Feiertag nur wünschen kann: blauer Himmel, entspannte Stimmung, Kinder, die durchs Wasser planschen – und mitten auf der Wiese drei Musiker, die sich unter einem blauen Sonnenschirm in den Schatten stellten und einfach loslegten. Keine Bühne, kein Firlefanz – nur Musik, ganz nah dran.

Greyhound’s Washboard Band zündete ein Blues-Feuerwerk der unkonventionellen Art. Schon beim ersten Anschlag von Waschbrett Wolf war klar: Das hier wird kein gewöhnlicher Nachmittag. Mit Fingerhüten, Schneebesen und einem wild umgebauten Waschbrett zauberte er Rhythmen, bei denen selbst das Gras mitwippte. Zusammen mit Greyhound George an der E-Gitarre und Andy Grünert an der Bluesharp entstand ein Trio, das mehr Druck machte als so manche Siebener-Besetzung.

Der Sound? Mal traditioneller Mississippi-Blues, dann wieder ein Boogie, der fast schon tanzbar war, gefolgt von einem funkigen Shuffle. Das Schöne: Trotz all der feinen Details war nichts abgehoben – das war ehrliche Musik, direkt ins Herz gespielt. Und manchmal auch zum Lachen. Denn zwischen den Songs streuten die drei immer wieder kleine Anekdoten und charmante Sprüche ein. Der Humor passte zur Sonne.
Das Publikum saß auf Decken, Liegestühlen, Badetüchern – mit Kuchen oder Bier in der Hand, Kinder liefen durch die Szenerie, ganz unbeeindruckt davon, dass sie gerade Teil eines ziemlich großartigen Konzerts waren.
Bühne frei für große Stimmen und leise Magie
Vom Freibad in die feine Abendgarderobe – der Tag hatte gerade noch Flip-Flop-Vibes, da warteten drinnen schon Jazzschuhe und Bühnenlicht. Zwei Stunden vor Sonnenuntergang wurde die Bürgerhalle zur nächsten Station im Festival-Zug.

Torsten Goods feat. Viktoria Tolstoy eröffneten den Abend mit einem Set, das von Anfang an tief unter die Haut ging. Goods‘ aktuelles Album „Soul Searching“ war dabei nicht nur Titel, sondern auch Programm: ein warmer, soulgetränkter Sound, der nach Kalifornien roch und nach Ehrlichkeit klang. Der Gitarrist und Sänger spielte sich entspannt durch seine Songs, mal butterweich, mal funky, aber immer mit einer Leichtigkeit, die verdammt gut tat.
Viktoria Tolstoy, die schwedische Jazzstimme mit Charisma und klarer Kante, war mehr als nur Gast. Sie war ein Gegenpol und zugleich Ergänzung: kristallklare Höhen, tiefe Emotion, jazzige Improvisation – alles mit dieser unverkennbaren Leichtigkeit, die große Sänger*innen eben mitbringen. Wenn sie sang, wurde es still. Aber nicht diese „Höflichkeitsruhe“, sondern echte Aufmerksamkeit – wie ein kollektives Innehalten.

Die Band? Traumhaft eingespielt. Man merkte sofort, dass hier keine zusammengewürfelte Tourband spielte, sondern ein eingeschworenes Team. Die Grooves rollten, die Harmonien flogen – und trotzdem hatte jeder Ton Raum zum Atmen.
Dominic Miller – zwischen Weltklasse und Weltabgewandtheit
Nach einer kurzen Umbaupause betrat dann Dominic Miller die Bühne – leise, fast beiläufig, wie jemand, der keine großen Worte braucht, weil seine Gitarre schon alles sagt. Und genau so war es auch. Miller, der seit über 30 Jahren mit Sting auf Tour ist und bei so ziemlich jeder großen Pop-Produktion der letzten Jahrzehnte irgendwo seine Finger im Spiel hatte, entfaltete einen Sound, der feiner kaum sein könnte.

Das Programm war eine Art Reise durch sein eigenes Klanguniversum: Stücke vom neuen Album „Vagabond“, in Südfrankreich entstanden, verschmolzen mit älteren Kompositionen – und hier und da auch mit einem vertrauten Thema aus dem Sting-Kosmos, ohne je ins Offensichtliche abzurutschen. Keine Hits, keine Pose – nur Musik, die langsam wuchs, sich ausbreitete, vibrierte.
Seine Mitmusiker – Ziv Ravitz (Drums), Nicolas Fiszman (Bass) und Jason Rebello (Piano) – spielten auf Augenhöhe, fast kammermusikalisch, aber immer mit Drive. Vor allem das Zusammenspiel zwischen Gitarren- und Klavierlinien war dabei oft atemberaubend fein.

Was Miller da ablieferte, war keine Show – es war eine Einladung zur Konzentration. Viele im Publikum lehnten sich zurück, schlossen die Augen, ließen sich treiben. Kein Applausgewitter nach jedem Song – eher ein ehrfürchtiges Durchatmen.
Ein Tag, zwei Welten – und ein gemeinsames Gefühl
Der Kontrast zwischen Freibad und Bürgerhalle hätte größer kaum sein können – und doch war beides auf seine Weise Jazz pur. Vom Waschbrett auf der Wiese bis zur Gänsehaut in der Halle – irgendwo dazwischen lag dieser magische Jazzfest-Augenblick, den keiner vorhersehen kann. Er passiert einfach.
Impressionen Jazzfest Tag 3






















Vorschau – Freitag, 2. Mai: SOPHIA & Ilse DeLange – Pop trifft Gefühl, Stimme trifft Substanz
Nach den jazzigen Ausflügen der letzten Tage wird der Freitag ein Abend für große Stimmen, tiefe Texte und berührenden Pop. In der Bürgerhalle steht um 20 Uhr zuerst SOPHIA auf der Bühne – die Singer-Songwriterin, die in den letzten Jahren durch ihre intime Stimme und emotionale Klarheit aufgefallen ist. Irgendwo zwischen Indie, Pop und tief empfundener Poesie.
Um 22 Uhr dann: Ilse DeLange, eine der bekanntesten Musikerinnen der Niederlande, kommt nach Gronau. Zwischen Country, Pop und Folk bewegt sie sich mit einer Leichtigkeit, die sofort berührt – live ist sie ein Erlebnis, das unter die Haut geht. Wer sie noch nie gesehen hat: Es wird Zeit.
Location: Bürgerhalle Gronau
Einlass: ab 19 Uhr
Beginn: SOPHIA 20:00 Uhr | Ilse DeLange 22:00 Uhr
Ich bin natürlich wieder dabei – stay tuned, morgen folgt der nächste Bericht direkt von der Bühne.