Mann liest aus Buch auf der Bühne vor Mann liest aus Buch auf der Bühne vor

Jochen Malmsheimer in Dülmen: Sprachkunst, Satire und scharfer Humor

„Statt wesentlich die Welt bewegt, hab ich wohl nur das Meer gepflügt“ – Jochen Malmsheimer in Höchstform (und -sätzen)

Der Titel seines neuen Programms klingt wie ein literarisches Rätsel, und genau das ist Jochen Malmsheimer: ein Wortakrobat, der sich durch die Windungen der deutschen Sprache schlägt, wie ein Kapitän durch einen tosenden Sturm. Am Donnerstagabend verwandelte er die Aula des Schulzentrums in ein Meer aus Satzwellen, Wortspielen und absurden Alltagsbeobachtungen. Doch wie fühlt es sich an, zwei Stunden lang einem der Meister des deutschen Kabaretts zuzuhören? Ein Erlebnisbericht.

Ein Rigorosum der Sprache: Malmsheimer packt aus

Pünktlich um 20:00 Uhr betrat Malmsheimer die Bühne und eröffnete sein Programm mit einem Schwall aus Anekdoten, die von Ulrike Meinhof bis hin zu E-Bikes reichten. Dabei las er konsequent aus seinem „Tagebuch“ – ein literarisches Gimmick, das ihm als Rahmen diente, um tief in den Wahnsinn des Alltags einzutauchen. Malmsheimers Humor ist sprachlich brillant, seine Sätze verschachtelt wie ein Barockschloss, und seine Pointen treffen hart – wenn man sie denn durch das Labyrinth seiner Worte finden kann.

E-Bikes, Radlerhosen und die Kunst der Verarsche

Ein großes Thema des Abends: das Fahrrad. Malmsheimer schilderte seinen Versuch, sich in eng anliegende Radlerhosen zu zwängen, was ihn laut eigener Aussage „mehr verletzte als das Radeln selbst“. Dabei sei Kleidung doch eigentlich dafür da, „körperliche Makel zu überdecken“. Aber nicht mit ihm! Stattdessen beschrieb er plastisch, wie er den „Gummiarschbananen“ (aka Sätteln) seiner Mitradler hinterherstarrte und gleichzeitig Mitleid mit jenen empfand, die wiederum hinter ihm fahren mussten.

Der Humor? Ein Drahtseilakt zwischen Selbstironie und Gesellschaftskritik. Die Zuschauer, größtenteils jenseits der 50, lachten herzlich – die jüngeren Gäste? Nun, vielleicht ein wenig ratlos.

Pandemien, Pointen und Pausenwünsche

Malmsheimer ließ auch die Pandemie nicht unkommentiert: von Frisurenexperimenten während des Lockdowns bis hin zu absurden Verschwörungstheorien. Doch hier zeigte sich ein Phänomen, das mich persönlich an diesem Abend begleitete: Die Fülle an Worten, Metaphern und Querverweisen war schlicht überwältigend. Nach 30 Minuten ertappte ich mich dabei, wie ich auf die Uhr sah und mich nach einer Pause sehnte. Malmsheimers Sprachgewalt ist beeindruckend, aber auch fordernd – besonders nach einem langen Arbeitstag.

Vielleicht liegt es an mir und meiner nach Feierabend begrenzten Hirnkapazität, doch ich hätte mir ein wenig mehr Luft zwischen den dichten Textströmen gewünscht.

Ein Kabarettist, kein Komiker

Ein Flachwitz über E-Autos blieb mir besonders im Gedächtnis. Warum fährt Malmsheimer keines? Weil er, wie beim Reiten, „nicht alle 35 Kilometer anhalten will“. Für jüngere Zuschauer wie mich, die moderne E-Autos mit ordentlichen Reichweiten kennen, wirkte diese Pointe ein wenig angestaubt. Ein Kommentar zu den hohen Preisen oder E-Horses (gibt’s tatsächlich) hätte hier frischer gewirkt. Doch das ist Malmsheimer: Er ist kein Comedian, der schnelle Lacher liefert, sondern ein Kabarettist, der Geschichten erzählt – komplex, ironisch, anspruchsvoll.

Für wen ist dieses Programm?

Malmsheimer spricht ein Publikum an, das Spaß an sprachlicher Raffinesse hat. Wer sich gern in verschachtelte Sätze vertieft und die Feinheiten der deutschen Sprache liebt, wird begeistert sein. Doch wer schnelle Pointen oder einen einfachen Zugang erwartet, könnte sich schnell überfordert fühlen.

Für mich als „jüngeren“ Zuschauer wirkte vieles zu nostalgisch oder zu sehr auf eine Generation zugeschnitten, die die 70er und 80er noch bewusst erlebt hat. Trotzdem bleibt ein Respekt für die Kunstfertigkeit, mit der Malmsheimer die Bühne beherrscht.

Fazit: Ein Marathon, kein Sprint

Jochen Malmsheimer ist ein Erlebnis – ein intensives, sprachliches Abenteuer, das die Grenzen zwischen Kunst und Kabarett verschwimmen lässt. Doch wie bei jedem Marathon ist auch hier die Vorbereitung entscheidend: Ausgeruht und mit wachem Geist kann man sich besser auf den Ritt durch seine Wortwelten einlassen. Wer jedoch nach einem entspannten Abend sucht, könnte hier an seine Grenzen stoßen.

„Statt wesentlich die Welt bewegt, hab ich wohl nur das Meer gepflügt“ ist rigoros, komisch und beeindruckend – aber nicht für jeden. Dennoch: Malmsheimer bleibt ein Ausnahmetalent, und selbst wenn er nicht die Welt verändert, hinterlässt er zumindest einen bleibenden Eindruck.

Nah dran: Malmsheimer zum Anfassen

Nach der Show nahm sich Jochen Malmsheimer noch Zeit für seine Fans, plauderte entspannt, signierte auf Wunsch sein neues Buch, das man vor Ort kaufen konnte, und ließ den Abend so ganz nah und persönlich ausklingen.

Ein großes Dankeschön an das Kulturteam Dülmen und an Jochen für die Einladung und die Möglichkeit, diesen besonderen Abend auf meine persönliche Art & Weise festhalten zu dürfen. Danke!

Impressionen von Abend

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