Sonntagabend, Turbine, Muttertag – und plötzlich war die Welt ein bisschen besser
Es war dieser typische Sonntagabend, an dem sich Gronau langsam aus dem Wochenende schleppte – draußen roch’s nach Pfingstgrill und Blumenerde, drinnen nach Lampenfieber und Limo mit Schuss. Und dann:
Licht aus, Herz an.
Im Musikclub Turbine, versteckt unter dem rock’n’popmuseum, trafen sich am 11. Mai zwei Bühnenmenschen, die ein bisschen Magie mitgebracht hatten: Julia Kautz & Nico Gomez. Zwei Artists, die sich nicht nur musikalisch seit Jahren bewähren, sondern auch genau wissen, wie man ein Publikum berührt, ohne sich dabei zu verbiegen.
Dass der Club an dem Abend nicht ausverkauft war? Kaum zu glauben – denn solche Acts holen sich sonst nur Großstädte. Leute kamen aus ganz Deutschland… nur Gronau blieb mal wieder zögerlich. Dabei wird’s auf dieser Bühne kaum größer – es sei denn, die Donots landen wie neulich versehentlich beim Jazzfest. [Zum Bericht geht’s hier.]
Julia Kautz: Jogginghose, Gitarrist, Goldbademantel-Vibes
Julia Kautz stand als Erste auf der Bühne – in schwarzer Adidas-Jogginghose, mit einem breiten Grinsen im Gesicht und Gitarrist Doni an der Seite, der zwischen Akkorden und Backing-Vocals auch nicht ganz unwichtig war. Von wegen Support – das war Poesie mit Punch.
Songs wie „Kaputt“, „FOMO“, „Gift“, aber auch die leise Wucht von „Liebe diese Liebe“ oder „Zeitfenster“ machten direkt klar:
Julia ist nicht hier, um zu gefallen. Sondern um zu erzählen.
Zwischendrin dann eine Anekdote über eine Pyjama-Party, bei der Gitarrist Doni einen goldenen Bademantel geschenkt bekam. Der Klassiker: Gig vorbei, Künstler im Bademantel, ab ins Taxi – kein Problem. „Sah aus wie ein Musiker, fühlt sich auch so an.“
Das Publikum feierte es.
Funfact: Julia ist übrigens nicht nur Singer-Songwriterin, sondern seit Jahren eine der wichtigsten Stimmen hinter großen deutschsprachigen Popsongs.
Sie schrieb zum Beispiel für:
Wincent Weiss, Max Mutzke, Vanessa Mai, Cassandra Steen, Ina Regen, Gregor Hägele, Thorsteinn Einarsson…
Ihr Song „Echo“ lief 2023 in Österreich rauf und runter.
„Situationship“ kletterte auf Platz 1 der Shazam-Charts.
Und „Fühlst du das auch“ war 2024 sogar der ARD-Trailer-Song für die Fußball-EM.
Die Frau ist keine Szene-Newcomerin – sie ist Chart-erprobt, Platin-ausgezeichnet und trotzdem komplett nahbar.
Mit ihren eigenen Songs – „Kaputt“, „Bengalos“, „Utopia“, oder dem Storyteller-Song „Dasselbe Bett“ – trifft sie einen Nerv, der gerade in der Deutschpoplandschaft oft fehlt: Poetisch, unbequem, ehrlich. Und dass sie mit ihrem neuen Album „KAUTZ“ (VÖ 30. Mai) komplett unabhängig, ohne großes Label unterwegs ist – und trotzdem Millionen Streams einfährt – sagt eigentlich alles. Im Januar 2026 geht’s auf große KAUTZ-Tour – Hamburg, Berlin, Frankfurt, Wien, München und Köln sind schon eingetütet.
Dann Nico. Und mit ihm: eine verdammt gute Band.
Nico Gomez kam raus wie einer, der weiß, was er da tut – aber sich trotzdem jedes Mal neu reinfühlt. Mit kompletter Band, tightem Sound und einer Backgroundsängerin, die mit ihrer Stimme ganze Wände verschob. Die Wucht dieser Liveband? Unterschätzt man besser nicht.
Nico startete mit „Höher“, rutschte rüber zu „Wie fliegen geht“, „1000 Meilen“, „Puzzleteil“ und „Schattenwahnsinn“ – jede Silbe ein Abdruck. Jeder Song traf irgendwo zwischen Brustkorb und Erinnerung. Nicht überdramatisch, sondern so, dass man dachte: „Ja. Genau da. Danke.“
Und das Krasse: Nico stand da nicht einfach und spielte die Setlist runter. Er fühlt das. Mit Vollgas. Und ließ uns mitfühlen. Ob wir wollten oder nicht.
Er redete nicht viel – okay, kleiner Scherz. Natürlich redet er. Und manchmal auch ein bisschen ausführlicher. Zum Beispiel über seinen Bruder, die gemeinsame Geschichte und wie viel Inspiration da drin steckt. Nach drei Minuten warf die Band erste vielsagende Blicke, aber das ist eben Nico: Wenn ihm etwas wichtig ist, dann wird’s gesagt – Punkt. Und das Publikum? Feiert ihn genau dafür.
Ob mit Ansprache oder ohne – deine Songs sprechen sowieso laut genug, Nico. Und was sie sagen, ist das, was wir alle manchmal hören müssen:„Du darfst hier sein. Genau so. Jetzt. Sofort.“
Danke für diesen Safe Space, der bei dir kein Bühnen-Deko-Statement, sondern ehrlich gelebte Grundhaltung ist.
FunFact: Nico arbeitete u. a. mit:
Max Herre, Roger Cicero, Stefanie Heinzmann, Sasha, Glasperlenspiel, Filmorchester Babelsberg, und war als Studiosänger regelmäßig in großen TV-Formaten wie „Let’s Dance“ dabei. Er schrieb Songs für Peter Maffay, Johannes Oerding, Mo-Torres, Sarah Engels, und verleiht großen Produktionen immer wieder seinen unverwechselbaren Sound.
Gemeinsam unschlagbar: „Ziemlich beste Freunde“ & Throwback-Fieber
Als Julia nochmal für „Ziemlich beste Freunde“ auf die Bühne kam, war der Moment da: zwei Menschen, ein Song, eine Stimmung, die hängen bleibt.
Das anschließende Throwback-Medley mit alten Tracks wie „Vorhang auf“, „Könige“ und „KDJ“ war pures Fanservice-Gold. Alle, die Nico seit Jahren begleiten, brüllten die Refrains mit einer Mischung aus Nostalgie und Euphorie, während sich andere fragten: „Wie konnte ich den Mann so lange nicht auf dem Schirm haben?!“
„Wieder nach Haus“ sollte eigentlich das Ende markieren, aber der Club war noch nicht fertig. Also gab’s Nachschlag: „Keine Lust“ – catchy, aber mit Ansage. Und „LFM“, das nochmal alles bündelte, was diesen Abend ausgemacht hat: Herz, Haltung und richtig viel Groove.
Fazit: Ein Abend, der besser war als Netflix und Tatort zusammen
Julia Kautz und Nico Gomez haben Gronau einen Abend geschenkt, den man nicht geplant hätte – aber unbedingt gebraucht hat. Einen Abend mit Stimme, Substanz und Seele. Danke für diesen wahrlich schönen Abend!
Impressionen vom Abend:
Weitere Bilder findet ihr wahrscheinlich schon bald auf Facebook oder Instagram beim Musikclub Turbine.
